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Brandenburg 2003 - Urlaub auf dem Jollenkreuzer

Brandenburg 2003 - Urlaub auf dem JollenkreuzerEgal wie schnell und optimiert moderne Boote auch sein mögen, Klassiker üben immer einen besonderen Reiz aus und versprechen unmittelbare Segelerlebnisse. Angeregt durch einen Zeitungsartikel entschlossenen wir uns dazu, in der Saison 2003 einen 20er-Jollenkreuzer (Bj. 1953) zu charten und diesen auf seinem Heimatrevier zu segeln.

Durch einen Artikel in der Zeit waren wir auf die Charterfirma Bernd Helmers aufmerksam geworden. Hr. Helmers hat aus seiner Liebe zu Holzbooten seinen Beruf gemacht und bietet seinen Charter-Kunden vom Piraten über Jollenkreuzer bis zum Lofoten-Kutter klassisch gebaute Holzboote an. Seit 2003 sind sogar auch zwei Motorboote im Programm (Links am Ende des Artikels).

Nach kurzer Beratung mit Hr. Helmers entschieden wir uns für einen 20er Jollenkreuzer, mit dem wir im Mai 2003 ab Brandenburg die Havel und die angrenzenden Seen erkunden wollten.

Am 16.05.2003 war es dann endlich so weit und wie die meisten Urlauber verbrachten auch wir erstmal ermüdende Stunden auf der Autobahn. Um 18:00 erreichten wir dann die Stadt Brandenburg in Brandenburg und machten uns auf die Suche nach dem Hafen, wo wir den Jollenkreuzer übernehmen wollten. Dank der guten Beschreibung, die wir vorab bekamen, konnten wir den kleinen Hafen gut finden. Er liegt inmitten Brandenburgs und biete an Infrastruktur lediglich zwei Stege und einen kleinen Parkplatz. Rundherum ist alles grün und in der direkt angrenzenden Stadtschleuse sieht man die Binnenschiffe fahren.

20er Jollenkreuzer Doch zum Bummeln und Staunen blieb wenig Zeit: Obwohl wir am liebsten erst einmal verschnauft hätten, begann sofort die Einweisung in unser Boot, einen 20er Jollenkreuzer namens "Troll", der bereits 1953 auf Kiel gelegt wurde. Für uns Strandkat-Segler hieß es erstmal gut aufpassen: Außenborder-Bedienung, Mastlegen, aber auch Kocher-Bedienung und Kuchenbude aufbauen waren die neuen Disziplinen, die in der nächste Woche unsere Tage bestimmen würden. Und natürlich Segeln...

Unter Deck: Bootsbau pur!Die erste Nacht verbrachten wir noch in Brandenburg am Steg, da wir abends nicht mehr aufbrechen wollten. Der nächste Tag erforderte noch einmal einen Ausflug in die Stadt, da wir nicht nur ein ordentliches Frühstück, sondern auch das gewisse sanitäre Extra benötigten. Die vom Pächter des Hafens für die Saison zugesagten Einrichtungen waren bestenfalls auf dem Plan vorhanden... Dafür hatten wir aber noch einmal die Gelegenheit, unseren Proviant zu ergänzen. Da wir die Matratzen im Vorschiff nicht benötigten und gleich zurückgelassen haben, konnten wir unter Deck etwas großzügiger stauen. Insbesondere konnten so Anker und Jütbaum griffbereit im Vorschiff platziert werden.

Kuchenbuden-Parade in MalgeDas Beste unter Deck ist aber die unverkleidete Sicht auf Spanten und Planten, die noch in guter alter Bootsbau-Tradition gefertigt wurden. Allein das Schwertfall mittels großer Holzscheibe zu untersetzen, anstelle eine Talje zu verwenden, ist ein echter Hingucker. Wie uns Herr Helmers mitteilte, ist aber nicht alles Nostalgie oder Tradition. Da es in der DDR keine verrottungsfesten Leinen gab, wurden beispielsweise als Festmacher Eisenketten oder als Fallen für das Ruderblatt Eisendrähte verwendet. Erst oberhalb der Wasserlinie kam dann wieder Naturtauwerk zum Einsatz. Die etwas zu große Kuchenbude ist eine "Privat-Leihgabe" von Herrn Helmers, da die von "Troll" noch beim "Schneider" war.

Die Karte immer in Griffweite...Das erste Ablegen stand nun endlich bevor. Ziel der direkt vor den Toren Brandenburgs gelegene Breitlingsee. Doch zuerst musste der Weg aus Brandenburg gefunden werden. Eigentlich eine einfache Aufgabe, denn Kanäle und Flußläufe "aller Art" ziehen sich durch die Stadt. Soll die Begegnung mit der Berufsschifffahrt jedoch nicht gleich auf der ersten Meile stattfinden und auch noch ausreichend Wasser unter dem Kiel vorhanden sein, dann lohnt sich ein ausgiebiger Blick in die Karte.
Die Karte haben wir später kaum noch aus der Hand gelegt, nachdem wir den Verlauf der 2-Meter-Linie mit dem Tiefgang unseres Holzschwertes (1,80m) in Zusammenhang gebracht hatten. Das Holzschwert ist auf einem flachen Revier sowieso eine Angelegenheit für sich, da es durch einen Niederholer hartnäckig daran gehindert wird, bei Grundberührungen aufzukommen. So gewöhntene wir uns an, den Niederholer immer zum loswerfen griffbereit nach Achtern aus der Kajüte heraus zu legen...

15er und 20er Jollenkreuzer in MalgeMalge am BreitlingseeAndrea auf TrollNicht nur der erste Tag führte uns über den Breitlingsee nach Malge, einem kleinen netten Hafen mit gleich zwei Lokalen mit Biergärten direkt am Steg und ordentlichen sanitären Einrichtungen. Keine 200 Meter entfernt befindet sich zudem ein Campingplatz mit einem kleinen Kiosk.
Egal wo wir anlegten, haben wir freundliche, aufgeschlossene Menschen getroffen. Segler, Motorbootfahrer, Fussgänger ... einfach alle! Mit einem Jollenkreuzer ist man immer ein gern gesehener Gast. Niemals hieß es abwertend "Ach so! Gechartert. Alles klar...". Ganz im Gegenteil! Auch schien uns Hr. Helmers mit seinen Holzbooten wohl bekannt zu sein, was sicher nicht nur auf die Verleihung des "Tourismuspreises Brandenburg 2003" zurückzuführen ist.

Mösersche SeeVon Malge aus erschließt sich einem nach kurzem Spaziergang der Blick auf die Mösersche See, die sich auf Grund der zahlreichen Untiefen nicht unbedingt als Revier empfiehlt.
Insgesamt waren unsere Erfahrungen mit dem erkundeten Revier positiv. Das Wetter war zum Saisonstart noch etwas durchwachsen und wechselte rasch. Die Regenschauer hielten sich in Grenzen, so dass bald wieder die Sonne lachte. Unangenehmer waren die Böen, auf die der Jollenkreuzer sehr spontan, eben jollenmäßig, reagierte. Und das, sowohl den Vortrieb als auch die Krängung betreffend. Letzteres allerdings sehr zum Unmut meiner Vorschoterin, die als reine Strandcat-Seglerin eher gewohnt ist, in die Höhe gehoben zu werden und der "Kipp-Bewegung" nicht viel abgewinnen konnte.

Trockene Klamotten und heißer Tee...Insgesamt verbrachten wir gut die halbe Zeit auf dem Breitlingsee, ja, wir kannten bald jeden Winkel mit seinem Namen. So die Kaninchen Insel, in dessen Windschutz wir scheinbar sicher vor Anker lagen, bis uns ein Gewitter überraschte und samt Anker wegblies, so dass wir unter Motor bei minimaler Sicht (Regen ist nicht gerade das treffende Wort) Richtung Plauer Gmünd liefen, um uns in der Havel in Brandenburgs Wäldern zu verstecken. Doch kaum, dass wir das Plauer Gmünd erreichten, war der Spuk vorrüber. Der Wind hatte sich fast vollständig gelegt und die Sonne unternahm auch schon wieder die ersten Durchbruchversuche. Endlich hatten wir Zeit, unsere Regenhosen anzuziehen und dafür die vollkommen durchnässten Hosen zum Trocknen über den Baum zu hängen. Trockene Kleidung und die Tasse heißen Tees in den klammen Händen stärkten uns Körper und Seele.

Auf dem Silokanal in Brandenburg/HavelDas Highlight auf unserer kleinen Seentour sollte der (auch in den Reiseführern gepriesene) Beetzsee werden, der sich von Brandenburg aus zunächst in nördliche Richtung erstreckt, um sich in teilweise engen Bögen Richtung Nordost zu erstrecken. Doch zuerst mussten wir vom Breitlingsee durch Brandenburg die Einfahrt in den Beetzsee finden. Also: Mast legen, Motor an und ab durch den Silokanal! Im Silokanal bekamen wir es zum ersten mal mit der Berufsschifffahrt im Fahrwasser zu tun. Eine Begegnung, die wir bislang nicht gerade herbeigesehnt hatten... Die wenigen Schipper (es war kurz vor der letzten Schleusung des Tages) waren aber sehr rücksichtsvoll, hielten Blickkontakt und erwiederten freundlich unseren Gruß. Vermutlich wird sich dieser Zustand im Laufe der Saison noch geändert haben...

Bordlektüre: Mit Butler und BootsmannDem Reiseführer ist zu entnehmen, dass allein die Sportbootschleuse in Brandenburg jährlich ca. 10.000 Sportboote bedient. Wenn man bedenkt, dass wir im Mai jedesmal allein in die Schleuse fuhren, kann man sich vorstellen, dass in der Saison wirklich die Hölle los ist. Der Reiseführer spricht allerdings nur von "längeren Wartezeiten".
An Bord wurde der Reiseführer zugunsten der an Bord befindlichen Lektüre "Mit Butler und Bootsmann" (Quick Maritim) vernachlässigt. Das Buch beschreibt kurzweilig und informativ eine zweijährige "Lustfahrt", die der englische Landedelmann M. Doughty von Friesland bis zu den märkischen Gewässern durchgeführt hat. Bebildert ist das Werk durch zahlreiche Skizzen seiner beiden Töchter. Der Verlag hat aber auch aktuelle Törnplaner für die Region im Angebot (vgl. Links zum Thema).

Beetzsee, Richtung Lünower StrengDer Beetzsee gibt sich anfangs sehr sportlich. Der erste Abschnitt ist geprägt von der Ruder-Regattabahn sowie der sich anschließenden Wasserski-Strecke. Dann ist die Betriebsamkeit jedoch nahezu schlagartig vorbei. Bis auf kleine Dörfer und einzelne Höfe sind wir allein mit der Idylle dieses fjordartigen Sees, den wir uns anfangs segelnd, später in langsamster Fahrt unter Motor erschließen. Die aus der Enge resultierende Nähe zum Ufer bietet unbekannte Perspektiven auf Flora und Fauna wie beispielsweise knorrige Bäume am Ufer, deren Wurzeln aus dem Wasser ragen oder die verbreiteten Graureiher, die allerorten anzutreffen waren.

BeetzseeDurch den Lünower Streng gelangen wir in den letzten Abschnitt des Beetzsees, der für die Sportschifffahrt freigegeben ist. Für die Nacht haben wir uns laut Karte/Reiseliteratur eine "einfache Anlegemöglichkeit" ausgesucht, die sich als windschiefer Steg herausstellte. Leider waren auch die restlichen Angaben nicht gerade akkurat, so dass wir weder Dusche/WC noch irgendetwas vorfanden. Eine kleine Kneipe, schloss pünktlich um 21:00, ungefähr zu dem Zeitpunkt, als wir das Boot festgemacht hatten. Auch die am nächsten Tag angesteuerte Gaststätte (auf deren Toilette wir uns schon freuten) stand mittlerweile zum Verkauf...
Da wir trotz aktueller Reiseführer/Touristinformationen mehrere Fehlschläge dieser Art hatten, haben wir uns zuletzt angewöhnt, uns vorab telefonisch nach dem Stand der Dinge zu erkundigen.

Beetzsee, im Lünower StrengBeetzseeEin Sonnenuntergang wie dieser macht den Tag auf dem Beetzsee perfekt. Der Beetzsee ist ideal für einen 2-Tages-Ausflug von Brandenburg aus, wenn Sie wie wir nicht gerade den großen Schifffahrtsrouten nach Potsdam bzw. Berlin folgen wollen.


Links zum Thema


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